Vom armen Bauerndorf zum heutigen lebensfrohen Eifeldorf
Im Jahr 762 schenkte König Pippin den damaligen Hof Marciacum der Abtei Prüm. Über 1250 Jahre ist das nun her (2012 feierte Mötsch sein großes Jubiläum). In dieser Zeit ist viel geschehen. Not und Armut prägten über Jahrhunderte unseren Ort, ebenso wie Aufbruch, Freude und Geselligkeit.
Armut war Alltag in Mötsch
Ohne das Miteinander wäre das beschwerliche Leben der Bauern, Handwerker und Tagelöhner nicht denkbar gewesen. Armut, Missernten, Krankheit und Hungersnöte bestimmen das Leben. Die Land- und Forstwirtschaft war über Jahrhunderte die Haupteinnahmequelle der Mötscher Bevölkerung. Von ihr lebten die Kelten und die Römer. Im 4. Jahrhundert räumen letztere den Franken das Feld. Sie beziehen die römischen Mötscher Landhäuser, die mit Bad und Warmluftheizung als luxuriös gelten. In Mötsch entsteht ein fränkischer Königshof, der Kaiser Karl den Großen beherbergt und Kaiser Lothar I. Marciacum heißt damals der kleine Ort. Später nennt man ihn Merxz, Meersch, Mersch, Metsch, schließlich Mötsch. Zu dem Königshof gehören circa zehn Häuser und eine Gesamtfläche von 1400 Morgen. Reich ist Mötsch in diesen Jahren. Sie haben ihren Tribut zu zahlen, bis 762 Pippin den Ort an das Kloster der Abtei Prüm als Geschenk überschrieb. Ritter Heinrich von Limbach folgte als Eigentümer, bevor das Bitburger Hospital den lukrativen Ort für 700 Gulden verkaufte. Es folgen die Luxemburger als Eigentümer, die kriegerischen Spanier, dann Franzosen, Niederländer und Schweden. Erst mit der Herrschaft der österreichischen Kaiserin Maria Theresia kam Ordnung ins Land, durchgesetzt von vielen Herrschaften. Die Abteien und die Herren der Ländereien Neuerburg und Bitburg forderten ihre Anteile von den oft kargen Ernten. Als während der napoleonischen Besatzung die Ablieferungspflicht und Fron allmählich abgeschafft werden, ersetzen die Franzosen die Dienstbarkeit durch Steuern. Grund, Personen, Fenster, Türen, Mobiliar, Tabak, Kaffee, Zucker und natürlich der Krieg wurden besteuert. Die Folge für die Menschen: bitterste Armut. Als Freiherr vom Stein nach 1815 das Land unter preußischer Ägide reformiert, stören die großen Hungersnöte nach Kartoffelfäulnis das Fortkommen der Mötscher.
Gegen Hunger und Armut verstärken die Bauern im 19. Jahrhundert ihre Bemühungen in der Viehwirtschaft. Luzerne und Klee werden angebaut. Schafe gehören zum Alltag. Die Preise verfallen, denn der Export des Viehs in die Nachbarländer wird durch Zölle verhindert, während das Vieh von dort ohne Zollhindernisse die Grenzen passieren konnten. Auch der 1834 gegründete Zollverein bringt keine Erleichterung. In den 60er Jahren konzentriert man sich auf die Förderung von Obstbaumkulturen. Der Impuls geht von Bitburg aus. Die Felder werden von Feldhütern gegen Diebstahl und Vandalismus geschützt. Gegen die allgemeine Armut wird 1884 der Eifelfonds gegründet, der später durch einen Westfonds ersetzt wird. Trotzdem sind Zwangsverkäufe vor allem bei den Kleinbauern an der Tagesordnung. Die ersten ohne eigenen Landbesitz geben die harte Arbeit in der Landwirtschaft auf, als 1835 Arbeiter für den Ausbau der alten Römerstraße Trier-Köln gesucht wird. 1860 gibt es Arbeit bei der Verlegung der ersten Telegrafenleitungen. 50 Jahre später braucht man für den Bau der Bahnstrecke Erdorf-Bitburg allerhand Männer. 1921 brennt das erste elektrische Licht in Mötsch. Ab 1930 nehmen die Mötscher den Bau der ersten Wasserleitungen in die Hand. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg endet die Armut der Mötscher mit dem Bau des Flugplatzes.
Mötscher Land in Bauern Hand
Bis vor dem zweiten Weltkrieg bestimmte die Landwirtschaft, bestimmten die Jahreszeiten das Leben der Menschen. Stand Bitburg um das Jahr 900 und 1000 nach Christus unter Mötscher Kuratel? Ein Eintrag im Urbar des Klosters Prüm zählt im Jahre 893 unter dem Mötscher Verzeichnis eine Hufe zu „Bideburhc“ auf. „Dass Mötsch in fränkischer Zeit eine selbst Bitburg überragende Rolle gespielt hat, dahin deutet die Tatsache, dass noch im Jahre 1222 der gewaltige, westlich der Nims gelegene, Bedhard genannte Wald bei Bitburg nicht zum Kastell Bitburg, sondern zu Mötsch gehörte“, schreibt R. Kentenich 1928. Zum Besitz der Herren gehörten die Bauern. Die besser Gestellten bewirtschafteten Zins-; Lehn- oder Pachtgüter. Ab dem 10. Jahrhundert schon hatten sich die Verhältnisse der leibeigenen Bauern stetig verändert. Mussten zunächst alle Dienste durch Vieh und Ernteabgaben geleistet werden, war es den Bauern später möglich, statt dessen Geldleistungen zu zahlen. Allerdings blieb es lange Praxis, dass sich die Grundherren schon bei der Genehmigung der Heirat zweier Leute aus ihren Besitzungen darauf einigten, in welcher Reihenfolge die Kinder aus der Ehe jeweils dem einen oder dem anderen gehörten. Starb ein Bauer, stand dem Herren zunächst die Hälfte von dessen Habe zu, später das jeweils beste Stück aus dem Nachlass, meist ein Stück Vieh. Im späten 13. Jahrhundert kam für die Mötscher Bauern die Pflicht dazu, das Bitburger Hospital mit zu unterhalten. Alles Leben hing von Erfolg und Misserfolg der Ernten ab. Im 18. Jahrhundert zahlten die Bauern Pacht- oder Erbzins in Form von Weizen, Korn, Hafer, Hühnern und Eiern. An das Bitburger Hospital zahlten die Mötscher eine Rente. Ende des Jahrhunderts hatten sich die Franzosen die Eifel einverleibt. Sie forderten Steuern auf Grund, Personal, Fenster und Türen, Mobiliar, Tabak Kaffee, Zucker und Krieg und Stammzahl- wie Sterbegebühren. Keine Frage, dass die Bauern in und um Mötsch zunehmend verarmten. Hungersnöte 1817 und 1847 und immer neue Missernten bis Ende der 1880er Jahre hatten die Lage zusätzlich verschärft. Viele Kleinbauern mussten ihren Besitz zwangsverkaufen.
In Mötsch lebten am 1.12.1891 428 Menschen. Sie teilten sich 150 Hektar Wald und 50 Hektar Ackerland. Wie groß die Bedeutung der Landwirtschaft für die Menschen war, zeigt sich an der Verteilung der Berufe jener Jahre. Von den 428 Einwohnern Mötschs war einer Lehrer, einer Feldhüter, einer Waldhüter. Dazu kamen ein Schuster mit zwei Gesellen, ein Sattler, ein Schmied, ein Schneider, eine Näherin, drei Maurer, drei Schreiner und drei Anstreicher. Zwei Gasthäuser und ein Spinnereiwarengeschäft kamen dazu. Gut 400 Menschen lebten und arbeiteten also von und für die Landwirtschaft. Heute gibt es in Mötsch noch sieben Haupterwerbslandwirte.
Wirtschaftswunderzeit in Mötsch
Wohlstand für Mötsch – nicht erst mit Ludwig Erhard. Gut ein Jahr nach dem 2. Weltkrieg leben in den 124 Mötscher Haushalten 614 Menschen, 276 Männer und 338 Frauen. Knapp 160 verdienen ihr Geld in der Landwirtschaft. Es gibt 13 Eisenbahner, 7 Bauarbeiter, 11 Handwerker, 12 öffentlich Bedienstete und 16 andere Berufe, über die die Chronik schweigt. Alle schauen bang in die Zukunft. Man lebt von der Hand in den Mund, von Schwarzmarkt und Schmuggel. Dem langen kalten Winter 1947 folgt eine fast halbjährige Trockenzeit, über die Schülerin Resi Gruben berichtet: „Klagend schallt das Brüllen der hungrigen Tiere über Berg und Tal. Mit fast leerem Magen kehren sie abends heim, müde vom vielen Suchen und Laufen, um am nächsten Morgen wieder hungrig auf die verdorrten Wiesen zu rennen.“ Die Hungerjahre 1947 und 1948 vergehen, die Währungsreform mit einem Umtauschkurs von 10:1 kommt, auch das Gesetz der Armut genannt. Ein Chronist schreibt: „Die Währungsreform zerreißt den Schleier, der die tatsächliche Armut des deutschen Volkes verdeckte.“ Landwirt Peter Freppert sieht die Reform positiv: „Der Bauer kann wie jeder andere, der nicht gerade berufsmäßig Schwarzhändler oder Großschmuggler ist, bei der Geldreform nur gewinnen.“
Erst am 20.01.1950 geht in Mötsch wieder das Licht an. Sowohl wörtlich in Bezug auf die neue elektrische Straßenbeleuchtung als auch sinnbildlich. Die Landwirtschaft wird von der Zwangswirtschaft und damit vom Abgabezwang befreit. Nicht aber von der Enteignungen. 800 Morgen bestes Mötscher Land mussten die Bauern für den Bau des Flugplatzes hergeben. Nur die „dicken“ Bauern schaffen es, ihre Landwirtschaft zu erhalten. Noch sind die Entschädigungsleistungen für sie und den Ort nicht beschlossen. Noch ist die Solidarität der Menschen untereinander überlebenswichtig. Kaspar Lenartz, Landwirt und Bürgermeister von Mötsch, besitzt den ersten Traktor. Mit ihm betreibt er auch die Dreschmaschine, die zur Erntezeit im Dorf aufgestellt und von allen Bauern genutzt wird. Das erste Auto und den ersten Lastkraftwagen in Mötsch besitzt der Transportunternehmer Peter Thielen. Den nutzt beispielsweise der Mötscher Musikverein am 31. Juli 1949 für eine Fahrt nach Röhl, ausgestattet mit einfachen Sitzbänken des Gastwirts Leonhard Elsen. Bei Elsen stand auch der erste Fernsehapparat pünktlich zur Fußball-Weltmeisterschaft 1954. Einzigartig finden die Mötscher 1959 ihre „Tiefgefrier-Anlage des Bundes“, ein Kühlhaus mit 175 Gefriertruhen, die man gegen Miete nutzen kann. Das Haus mit Schlachtraum, Wurstküche und Vorkühlraum und Schallschutz gegen Fluglärm(!) wird zum Vorzeigeobjekt des Ortes. Und es geht weiter mit einer neuen Orgel, einem neuen Kindergarten und dem ersten Mähdrescher, den man im Sommer 1960 auf Mötscher Feldern sieht. 1962 gibt es einen neuen Sportplatz. Ein Jahr später steht das neue Jugendheim und drei neue Glocken für die Kirche werden in diesem Sommer eingeweiht. Mötsch mausert sich – auch dank der jährlichen Zahlungen der Amerikaner – zu einem modernen Musterdorf. Rudolf Bauer schreibt dazu: „Die Flugplätze haben in ihrer Nachbarschaft einen Strukturwandel enorm beschleunigt. Was sich sonst vielleicht innerhalb einiger Jahrzehnte vollzogen hätte, geschah jetzt geradezu explosionsartig.“
Aus Besatzern wurden Freunde
Die Mötscher waren wie alle Eifeler ein kriegsgeplagtes Volk. Armeen überquerten und besetzten das stille Hügelland jahrhundertelang immer wieder. Und stets standen die Bauern gerade für die Versorgung auch der deutschen Truppen im strategisch bedeutsamen „preußisch Sibirien.“ Niemand, auch nicht die Alliierten beider Weltkriege, hatten einen Vertrag mit etwaigen Rechten der Menschen. So beschlagnahmten die französischen und luxemburgischen Besatzer schon Häuser und Wohnungen, Haushaltsgegenstände und Kleidung, vor allem aber Nahrung und Land. Im Mai 1951 sind es dann 136,5 Hektar landwirtschaftliches Nutzland und 42,2 Hektar Wald. Denn im April 1951 war es amtlich geworden. Die Flugplätze Bitburg und Spangdahlem sind beschlossene Sache. Die Angst, beim nächsten Krieg erstes Angriffsziel zu werden, geht um im Bitburger Land.
Die Amerikaner treffen Anfang 1952 auf Gefühle der Ohnmacht und des Misstrauens. In Mötsch, der neuen Heimat des 36. Düsenjäger-Geschwaders, wird notiert: „Man erfährt, dass die Garantie des Eigentums im Grundgesetz hier nicht viel zu bestellen hat. Die Bevölkerung in Mötsch muss sich mit einem Gefühl völliger Rechtlosigkeit abfinden, das sie seelisch zermürbt und den Glauben an Recht und Gerechtigkeit verlieren lässt.“ Kein Wunder: Mötsch verliert am Ende ein Drittel seiner Fläche. Doch man arrangiert sich. Allmählich. Arbeiter aus der Region finden ihr Einkommen auf den Baustellen der Alliierten. Und nicht nur für die Mötscher erweisen sie sich als gute Einnahmequelle. Als Mieter, als Arbeitgeber, Kunden und Gäste. „Hier in Mötsch hätte so mancher ohne Amerikaner nicht gebaut“, erinnerte sich Cilli Berg. „Die Amerikaner waren unsere Befreier. Sie waren am Anfang manchmal übertrieben hart und zogen einfach bei uns ein. Sie behandelten uns aber besser als die Franzosen oder Luxemburger.“ Die Mötscher profitieren von den amerikanischen Nachbarn. Auf der Mötscher Straße entstehen Tankstellen, Geschäfte, Auto- und Möbelhandlungen, Kneipen. Mit der Zeit entwickelt sich ein gesellschaftliches Miteinander der Kulturen. Gemeinsame Vereine werden gegründet und auf zahlreichen Festen findet, wer sich finden will. Verlässliche Beziehungen entstehen – auch zwischen den Feuerwehren oder Sicherheitskräften beider Seiten. „Ohne die Hilfe der Flughafenfeuerwehr und der Geräte der Amerikaner hätten wir manches Mal alt ausgesehen“, sagen die Mötscher. Sie erinnern sich aber auch mit Schrecken an Flugzeugunglücke, die alle gemeinsam auf Trab hielten.
1250 Jahre Mötsch - was für ein großartiges Fest
Es ist schon schon einige Jahre her. Noch immer erinnern wir uns gerne zurück an die unvergessliche Präsentation unseres Dorfes. Diese Dokumentation gibt einen kleinen Einblick.